Erweckung verwandelt Gesellschaft

Persönliche Erweckung

1972 erlebte ich in England eine persönliche Transformation, die mein zukünftiges Leben bis heute nachhaltig verändern sollte. Ich erhielt von der Sprachschule ein schlechtes Charakterzeugnis, das mir bewusst machte, dass ich Gottes Geist brauchte, um ein gutes Glaubenszeugnis zu sein. Nach einem längeren inneren Kampf übergab ich meine Karrierepläne Gott und war bereit, mein zukünftiges Leben ganz von ihm bestimmen zu lassen. Das Ergebnis war eine tiefe Erfahrung des Heiligen Geistes und eine Änderung meines Charakters. Diese Wandlung zeigte sich darin, dass meine Mitschüler nun meinem Zeugnis von Christus Glauben schenkten und selbst tiefe Erfahrungen mit der Kraft des Heiligen Geistes machten. Am Ende des Semesters schrieb der Schulleiter, dass ich nicht nur in der Klasse, sondern in der ganzen Schule einen aktiven positiven Beitrag geleistet habe.

Was ich persönlich erlebt habe, gilt für ganze Nationen: Transformation durch Erweckung.

Erweckung und gesellschaftliche Veränderungen

In der Sonderbeilage der Tageszeitung „Western Mail“ vom 31. Januar 1905 wurden die gesellschaftlichen Veränderungen in Wales so beschrieben: „Eine Erweckung dieser Dimension ist nichts weniger als eine Revolution. Das soziale und politische Leben in Wales hat eine weitreichende Veränderung erfahren. Aus einflussreichen Politikern wurden Erweckungsprediger. Aus Kohleminen wurden Anbetungsstätten. Tausende von Männern und Frauen freuen sich nun zum ersten Mal auf die Gemeinschaft zu Hause. Ihre Kinder erhalten Kleidung und Nahrung und liebevolle Erziehung, wie das noch nie zuvor der Fall war.“
James Stewart fasste im Rückblick die Veränderungen so zusammen: „Langjährige Schulden wurden bezahlt, gestohlene Güter zurückgegeben, Trinktavernen verlassen, Flüche hörte man keine mehr, sodass man sagte, dass deswegen in den Minen die Pferde die Sprache der Kohlearbeiter nicht mehr verstanden. Politische Versammlungen mussten verschoben werden, da die Mitglieder des Parlaments sich an Erweckungstreffen beteiligten Die Gefängnisse waren leer, sogar an den Universitäten waren Erweckungsszenen an der Tagesordnung, und das während Monaten.“
Kein Wunder, dass weltliche Geschäftsleute sagten, „wir wollen mehr von dieser Erweckung“, da so viele alte Schulden beglichen wurden und generell die Ehrlichkeit zunahm. Principal William Edwards betonte im Rückblick auf die Erweckungsjahre in der Zeitschrift „Sunday Strand“ den starken Einfluss der Erweckung auf die Rolle der Frau in Kirche und Gesellschaft und sprach von „revolutionären Veränderungen der Frauen, die ihr persönliches Pfingsten erlebt hätten und deren Zungen dadurch befreit worden seien“.
David Matthews, ebenfalls Augenzeuge, fasste es so zusammen: „Schwächlinge wurden Giganten. Junge schön gekleidete Frauen knieten mit Vagabunden. Sie baten diese eindringlich, den falschen Weg zu verlassen und ihr Leben Christus, dem neuen und lebendigen Weg anzuvertrauen… Sogar sehr junge Kinder beteten in einer Weisheit und einem Fluss, dass es geradezu unheimlich anmutete.“
William Stead fasste die Rolle der meist sehr jungen Frauen so zusammen: „In der jetzigen Erweckung sind die Frauen überall an der Front, indem sie singen, Zeugnis geben, beten und predigen… Die gegenwärtige Erweckung könnte gekrönt werden durch die Tatsache, dass die Frauen die staatliche Anerkennung der vollen Bürgerrechte erhalten“, was dann auch bald der Fall sein sollte.
Was machten die Polizisten, die keine Arbeit mehr hatten? Sie formten zuweilen Anbetungschöre, die man buchen konnte. William Stead, der 1912 beim Untergang der Titanic ums Leben kam, sah in der Tatsache, „dass aus Christen Evangelisten wurden“, das wichtigste Merkmal der Erweckung in Wales.

Die Politiker waren des Lobes voll angesichts der positiven Veränderungen der Gesellschaft in Wales. Das Foto von 1905 zeigt David Lloyd George, den späteren britischen Premierminister, zusammen mit Evan Roberts (auf dem Fahrzeug hinten
links).

Einheit und einmütiges Gebet als Voraussetzung

Evan Roberts, der Kohlearbeiter, der zur Schlüsselperson der Erweckung in Wales wurde, betonte, dass die zum Glauben Gekommenen sich wie eine große Familie fühlten: „Es gibt keine Spaltungen mehr. Wir haben lange genug einander bekämpft, jetzt haben wir mehr Zeit, den Teufel zu bekämpfen.“ Die Voraussetzungen, um Gottes erweckliches Wirken zu erleben, fasste er so zusammen: „Es gibt nur einen Weg, Erweckung zu erlangen, und das ist durch Gebet, durch einmütiges Gebet. Jede Gemeinde sollte einen Gebetskrise haben. Die Menschen müssen Gott alles geben. Die Bibel muss jeden Tag gelesen werden… Die Kraft der Erweckung liegt im Gebet.“ 30 Jahre später beschrieb Evan Roberts in einem Gespräch mit Edwin J. Orr, dem Erweckungshistoriker schlechthin, was Erweckung ausmacht: „Mit Gott arbeiten ist ‚Gebet in Aktion‘. Das völlige Sich-Gott-Überlassen stellt sicher, dass Gott uns während des ganzen Tages leitet. Deshalb besteht unsere Aufgabe ganz einfach darin, auf Gottes Stimme zu hören und dann ihr zu gehorchen.“

Die Auswirkungen

Allein in Wales kamen innerhalb von zwei Jahren 100 000 Menschen zum lebendigen Glauben und schlossen sich Kirchen an. Erweckliche Auswirkungen waren bald in großen Teilen der Welt sichtbar. Die pfingstlichen Elim-Gemeinden sind eine direkte Frucht der Erweckung in Wales, auch wenn Evan Roberts und seine Mitstreiter/innen die Geistesgaben im engeren Sinne nicht betonten. Die Erweckungsversammlungen waren gekennzeichnet durch viel Gesang, Bibelworte, persönliche Zeugnisse und manchmal prophetische Eindrücke, gefolgt von dem Aufruf, das Leben völlig Gott zu übergeben und auch zweifelhafte Dinge zu lassen. Die Erweckungsprediger/innen betonten immer wieder eine Sache: den unbedingten Gehorsam gegenüber der Leitung des Heiligen Geistes in allen Bereichen des Lebens

Autor

  • Hanspeter Nüesch

    Hanspeter Nüesch war von 1976 bis 2016 in verschiedenen leitenden Funktionen von Campus für Christus in der Schweiz und international tätig. Heute ist er als Prozessbegleiter von nationalen Christustag-Gebetsbewegungen tätig, kürzlich in Armenien und Georgien. Er ist Autor des Magazins „Erweckung – Merkmale und Voraussetzungen“ und des in viele Sprachen übersetzten Buches „Ruth und Billy Gra-ham – Das Vermächtnis eines Ehepaars“. Hanspeter ist verheiratet mit Vreni. Gemeinsam haben sie vier erwachsene Kinder und fünf Enkel. Sie wohnen in Boppelsen (Kanton Zürich).

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