Erweckung auf den Schottischen Hebriden

1949-1952

Ich studiere seit meinem persönlich erlebten Geisteswirken vor gut 50 Jahren an unserer Schule in Folkestone/England geistgewirkte Aufbrüche aller Art. Besonders interessierte mich die Erweckung auf den schottischen Hebriden wegen der persönlichen Beziehung meiner Eltern zu Duncan und Shona Campbell, den Schlüsselpersonen dieser Erweckung.

Zerbrochenheit und verzweifelte Fürbitte
Trotz vieler verschiedener äußerer Merkmale waren die geistlichen Prinzipien auf den schottischen Hebriden dieselben wie in Wales (vgl. Charisma 207, S. 14-15). Auch die Atmosphäre bei der Erweckung auf den Hebriden ähnelte derjenigen in Wales: „Ein Geist der Liebe durchwehte alles. Die Einheit untereinander war unbeschreiblich. Man muss es erlebt haben, um es zu glauben. Die ganze Atmosphäre war von einer tiefen Freude geprägt.“ So Colin Peckham, der Leiter der schottischen Faith Mission. Auslöser für die Erweckung waren 1949 das verzweifelte Gebet zweier hochbetagter Schwestern auf einer Insel der Äußeren Hebriden: „Gott, greife ein und führe die verwahrloste Jugend zu dir zurück!“


Der Heilige Geist und Duncan Campbell
Gott gebrauchte dann Duncan Campbell als sein Werkzeug. Dieser hatte seine angesehene Stellung als gefragter Prediger und Konferenzredner in der offiziellen Church of Scotland aufgegeben und war wieder in die Faith Mission eingetreten. Ein Wort seiner Tochter Sheena hatte ihm bewusst gemacht, dass er seinen früheren evangelistischen Eifer auf dem Altar der toten Rechtgläubigkeit verloren hatte. „Ich war fest entschlossen, dass, wenn Gott mir nicht zurückgeben würde, was ich verloren hatte, ich den Dienst quittieren würde.“
Campbell erlebte daraufhin eine tiefe geistliche Erneuerung. „Die Taufe im Heiligen Geist kam zu mir in einer mächtigen, reinigenden, bevollmächtigenden Kraft. … Ich ging hinaus und predigte die gleiche Predigt, die ich 17 Jahre lang gepredigt hatte – mit dem Unterschied, dass ich nun erlebte, dass Hunderte von Menschen sich bekehrten und die Erlösung durch Christus ergriffen.“ Er betonte immer wieder, dass sein Beitrag bei der Erweckung auf den Hebriden sehr klein gewesen sei. Schon bevor er über die Kirchenschwellen getreten sei, hätte der Heilige Geist bereits sein überführendes Wirken getan. Er hätte nur noch vom Wort Gottes erklären müssen, was Gott gerade wirkte, um dann im kleineren Kreis die von Gottes Geist überführten Menschen in die Jüngerschaft Jesu zu führen.

Das Geisteswirken aus Duncan Campbells Sicht
In seinem Tagebuch beschreibt er, was diesen erwecklichen Früchten zugrunde lag: Barvas, Dezember 1949: „Beim heutigen Treffen manifestierte der Herr seine Macht auf gnädige Weise und die Schreie der von Sünde überführten Menschen wurden in der ganzen Kirche gehört. Ich schloss die Veranstaltung, aber die Leute wollten nicht gehen. Beim Hinausgehen schrie ein junger Bursche um Gnade. Ein Ältester sang Psalm 102, die Verse 13-16, und die ganze Kirche stimmte mit ein. In vielen Nächten endeten die Treffen erst um 3 oder 4 Uhr in den Häusern.“
Und einen Monat später: „Hunderte versuchten, in die Kirche zu kommen. Viele mussten aus Platzgründen abgewiesen werden. Busse, die kamen, um Leute für ein Konzert in Carloway einzusammeln, mussten leer zurückfahren, weil nicht eine Person Interesse an einer Musikparty hatte.“
Im März 1950 berichtet Campbell, dass die Erweckung nun die ganze Insel berührt habe, aber dass der Widerstand vor allem von Seiten der Freikirchen groß sei. Sie konnten nicht glauben, dass Gott in der offiziellen Church of Scotland wirken könnte.
Im April 1950 schreibt Cambell: „Ich beginne meine Mission hier in Arnol inmitten des heftigsten Widerstands. Gegentreffen zur Mission finden weniger als 200 Meter von unserer Kirche statt. Aber inmitten dieses geistlichen Kampfes ist Gott mächtig am Wirken. Aber wo finde ich genügend Plätze, um die Leute unterzubringen?“ Oft seien die Kirchen übervoll gewesen, sodass mehrere Gottesdienste nacheinander nötig waren. Viele seien von weither gekommen, stundenlang über die Hügel marschiert. So tief sei die Seelenqual gewesen, dass die Leute zuweilen ihre eigenen Stühle mitgenommen hätten, um außerhalb der Kirche zu sitzen, bis sie dank seelsorgerliche Hilfe Frieden fanden.
Immer wieder bittet Duncan Campbell um Gebetsunterstützung, da er nicht nur von den Kirchen, sondern auch von den Behörden starken Gegenwind erlebte. Angesichts der offensichtlich positiven Veränderungen bei zuvor schlimmen Menschen, die die Bevölkerung drangsaliert hatten, habe der Widerstand aber immer mehr abgenommen und der Dankbarkeit Platz gemacht.

Weitreichende Auswirkungen
Der Apostel Petrus spricht von „Zeiten der Erquickung“ (anapsysis – Atemholen/Erfrischung der Seele), die diejenigen erleben, die sich von ganzem Herzen Gott zuwenden (Apg. 3,19). Wenn das bei vielen gleichzeitig passiert, dann kann man von einer Erweckung sprechen. Duncan Campbell hat Erweckung folgendermaßen definiert: „Das Hauptmerkmal einer Erweckung ist ein Gottesbewusstsein, das sich über eine ganze Gegend legt, sodass es für alle Teile sichtbar wird.“ Es hat konkrete Auswirkungen in Kirche und Gesellschaft. Dies war auch auf den Hebriden der Fall. Alle Arten weltlicher Unterhaltung litten in der Folge darunter. Die meisten Pubs mussten schließen. Polizisten wurden arbeitslos. Frauen erhielten zunehmend mehr Anerkennung und durften in Schule, Geschäft und Kirche Verantwortung übernehmen, was ihnen zuvor größtenteils verwehrt war.
Auch Statusunterschiede zwischen Chefs und Untergebenen, zwischen Männern und Frauen, zwischen Jungen und Alten wurden überwunden. Campbell: „Männer und Frauen bekannten einander und Gott offen ihre Sünden und Fehler, Chefs ihren Angestellten und Untergebene ihren Meistern. … Menschen, die noch nie über die Türschwelle einer Kirche getreten waren und die als hoffnungslos galten, wurden wunderbar errettet.“
In einigen Dörfern bekehrten sich alle Menschen ohne Ausnahme. Als Campbell sie drei Jahre später wieder besuchte, folgten die Allermeisten noch treu Jesus nach. Selbst bei einem Dienst an der eher elitären Universität Oxford erlebte Campbell ein starkes Geisteswirken. Er führte es darauf zurück, dass Studierende den Erweckungsgeist von den Hebriden nach Oxford gebracht und so den Boden geebnet hätten.
Was die Erweckung auf den schottischen Hebriden besonders auszeichnet, ist die Tatsache, dass als Folge davon viele, die zum Glauben gekommen waren, in den vollzeitlichen Dienst eintraten und manche als Missionare weltweit dienten.
Dass Kirchen begannen zusammenzuarbeiten, bezeichnete Campbell als eines der erfreulichsten Resultate der Erweckung. Missionseinsätze wurden zunehmend von Pastoren und Helfern der Kirchen und Freikirchen gemeinsam durchgeführt. Einige Pfarrer und Pastoren blieben jedoch bis zum Schluss auf Distanz.
Mit dem Fortgang der Erweckung besuchten zunehmend Pfarrer und Pastoren aus England die Erweckung auf den Hebriden. Auf ihre Einladung hin bereiste Campbell viele Orte in England und Irland. Immer wieder betonte er die Wichtigkeit des gemeinsamen Gebets in kleinen Gruppen, um Geistesdurchbrüche zu erzielen. Die erlebte er auch später noch als Folge seiner Predigten. Catriona Macaulay berichtete, dass Gott 1969 nach der Verkündigung von Duncan Campbell seinen Geist in wunderbarer Weise in Lemreway ausgegossen habe, sodass Anwesende sogar Engel singen hörten.

Autor

  • Hanspeter Nüesch

    Hanspeter Nüesch war von 1976 bis 2016 in verschiedenen leitenden Funktionen von Campus für Christus in der Schweiz und international tätig. Heute ist er als Prozessbegleiter von nationalen Christustag-Gebetsbewegungen tätig, kürzlich in Armenien und Georgien. Er ist Autor des Magazins „Erweckung – Merkmale und Voraussetzungen“ und des in viele Sprachen übersetzten Buches „Ruth und Billy Gra-ham – Das Vermächtnis eines Ehepaars“. Hanspeter ist verheiratet mit Vreni. Gemeinsam haben sie vier erwachsene Kinder und fünf Enkel. Sie wohnen in Boppelsen (Kanton Zürich).

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