Am Israel Chai – das Volk Israel lebt!

Bericht vom Marsch des Lebens 2024 in Berlin

Eine Woche nach dem Versuch der Besetzung der Humboldt Universität durch Anti-Israel Protestierende, setzte der Marsch des Lebens ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus und Israelhass, auch an deutschen Hochschulen. 

Start des Marsch des Lebens in Berlin am Bebelplatz gegenüber der Humboldt Universität

Der mittlerweile zehnte Marsch des Lebens in Berlin startete am Bebelplatz gegenüber der Universität. Bei der historischen Einführung über den Antisemitismus an deutschen Universitäten, vor allem während der NS-Zeit, wurde auch an die Bücherverbrennung 1933 an diesem Ort erinnert. 

Teilnehmer des Marsches erzählten, wie sich ihre Vorfahren an Universitäten der NS-Doktrin anschlossen und daraus zu Tätern und gar zu Mördern geworden waren. Deshalb machten Studierende klare Statements gegen die Verdrehung der Fakten bei den jüngsten Demonstrationen an Universitäten gegen Israel und betonten, dass die einseitige Ausgrenzung des jüdischen Staates antisemitisch ist. 

Unter dem Motto „Am Israel Chai – das Volk Israel lebt!“ liefen die insgesamt 750 Teilnehmer gemeinsam zum Potsdamer Platz. Dort erklärte Gründer und Präsident des Marsch des Lebens Jobst Bittner: „Niemand hätte es für möglich gehalten, dass 80 Jahre nach dem Holocaust auf den Straßen der Welt ‚Tod den Juden’ geschrien wird. Trotzdem bin ich nicht überrascht, dass seit dem Massaker vom 7. Oktober und Israels Reaktion gegen die Hamas in Gaza, eine offen zur Schau gestellte Judenfeindlichkeit auf der ganzen Welt zugenommen hat. Deshalb stehen wir gemeinsam – unabhängig von der israelischen Politik – in dieser Zeit mehr denn je solidarisch in Freundschaft an der Seite Israels.“ Bittner fügte mahnend hinzu: „Wir können heute wieder wie unsere Vorfahren Mitläufer sein und durch unser Schweigen schuldig werden.“

Der Marsch führte durch die Stadt, u.a. über die Straße „Unter den Linden“, zum Potsdamer Platz

Mitveranstalter war „March of the Living“, dessen europäischer Präsident Michel Gourary zu den Teilnehmern sagte: „Ich bin extra aus Israel angereist, um Ihnen für Ihre Unterstützung und Ihre Freundschaft zum jüdischen Volk zu danken!“ Der March of the Living gedenkt mit Nachfahren der Überlebenden seit 36 Jahren an jedem Jom ha Schoa, dem israelischen Holocaustgedenktag, der Ermordeten in Auschwitz. „Und seit dem 7. Oktober, als dem Staat Israel der schlimmste Pogrom seit dem Holocaust widerfuhr, müssen wir das ‚Nie wieder‘ erneuern“, so Gourary. Noam Petri, stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands, resümierte: „Wir befinden uns wahrscheinlich in den härtesten Zeiten für Juden seit 1945. Deutschlands Politik ist voller Widersprüche in Bezug auf sein ‚Nie wieder‘. Doch für Juden ist ‚Nie wieder‘ ein Versprechen an uns selbst. Gemeinsam mit seinen Freunden, die hier unter anderem stehen, werden wir die Hamas, die Hisbollah, das iranische Regime und alle anderen Antisemiten überleben!“ 

In einem Grußwort, das der israelische Staatspräsident Jitzchak Herzog an die weltweiten Märsche des Lebens – wie in London, Warschau und in über 100 Städten in 20 Nationen – richtet, schreibt er: „Ich habe die Hoffnung, dass die mutige Entscheidung, sichtbar auf der Seite der Gerechtigkeit zu stehen, und die außerordentliche Freundschaft, die in den Märschen des Lebens sichtbar werden, dem Hass eine kraftvolle Stimme entgegensetzen und eine moralische Haltung beleben, die Israel und das jüdische Volk in dieser Zeit des Terrors und der enormen Trauer unterstützt.“ 

Bei der Kundgebung am Potsdamer Platz sprachen u.a. Jobst Bittner, der Initiator des Marsch des Lebens (oben links) und der Kantor Arie Zaloshinsky (unten rechts). Bewegend, als eine Holocaustüber-lebende eine der sieben Kerzen anzündete (unten links) – sechs stehen symbolisch für die sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden, die siebte für die Opfer des 7. Oktobers und die Geiseln.  

Frank Heinrich von der Evangelischen Allianz Deutschland ließ in seinem Grußwort verlauten: „Wir als Evangelische Allianz in Deutschland sehen uns in zweifacher Hinsicht unseren Wurzeln verpflichtet: Zum einen bekennen wir offen die jüdische Herkunft und Identität unseres Herrn, Jesus aus Nazareth. Zum anderen erkennen wir unsere Verantwortung als Deutsche an, dass sich diese Geschichte niemals wiederholen darf, und Juden weder hier noch an einem anderen Ort aufgrund ihrer Herkunft und ihres Glaubens verfolgt und bedrängt werden dürfen.“ Winfried Rudloff, Geschäftsführer von Ebenezer Operation Exodus, stimmte mit ein, niemals zu vergessen und an der Seite der jüdischen Geschwister und Freunde zu stehen.

Die Überlebenden des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober Elenor und Hannan, erzählten von den Stunden des Angriffes. In ihrem Kibbuz Kfar Aza wurden bei jenem Massaker 62 Menschen ermordet und 19 entführt. „Wir dachten zuerst, es sei ein gewöhnlicher Raketenangriff. Doch dann hörten wir die Geräusche von Waffen und Kämpfen. Wir mussten uns 22 Stunden im Bunker verstecken, bevor die Armee uns von den Terroristen, die in unser Dorf gelangt waren, befreien konnte“, erzählt Hannan, Vater von zwei kleinen Kindern. Elenor berichtete, dass sie anschließend in Lastwagen mit ihrem nötigsten Gepäck abtransportiert wurden – eine schlimme Erinnerung an alte Traumata für die Nachfahren von Holocaustüberlebenden. Hannan schloss mit einem Aufruf an die Palästinenser: „Nehmt Verantwortung! Um euretwillen zuerst. Der Weg zur Unabhängigkeit wird nicht durch Krieg, sondern durch Kompromisse und Frieden gelingen.“

Arie Zaloshinsky, Kantor der Zentralen Orthodoxen Synagoge Berlin, betete im Gedenken an die Opfer der Schoa das traditionelle „El male rachamim“, nachdem sieben Kerzen angezündet worden waren: sechs zum Gedenken an die sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden und eine weitere zum Gedenken an die Opfer des 7. Oktobers und die verbliebenden Geiseln. 

Den Abschluss bildete die schwungvolle und Freude ausstrahlende Darbietung einer israelischen Tanzgruppe: Am Israel Chai – das Volk Israel lebt!

Der Marsch des Lebens geht auf eine Initiative von Jobst und Charlotte Bittner aus Tübingen zurück und begann mit einem Gedenkmarsch von der Schwäbischen Alb nach Dachau. Seither haben Märsche in mehr als 20 Nationen und über 400 Städten stattgefunden. Unter dem Motto „Erinnern – Versöhnen – ein Zeichen setzen“ will der Marsch des Lebens Holocaustüberlebenden eine Stimme geben, Versöhnung zwischen den Nachkommen der Täter und der Opfer ermöglichen und ein klares Zeichen gegen modernen Antisemitismus und für Israel setzen. Im Jahr 2017 wurde der Marsch des Lebens e.V. von der jüdischen Gemeinde zu Halle mit dem Emil-Ludwig-Fackenheim-Preis für Toleranz und Verständigung ausgezeichnet.

 www.marschdeslebens.org

Der International March of the Living ist das größte jährliche internationale Bildungsprogramm zum Holocaust, das seit seiner Gründung 1988 bis zum Ausbruch des Coronavirus 2020 ohne Unterbrechung in Polen und Israel stattgefunden hat. Bis heute sind fast 300.000 Teilnehmer des Internationalen Marsches der Lebenden den 3,2 Kilometer langen Weg von Auschwitz nach Birkenau gegangen, um sich gegen Vorurteile, Intoleranz und Hass zu wenden und den größten Verlust in der Geschichte des jüdischen Volkes zu würdigen.

www.motl.org

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