Mutig Vertrautes loslassen

INTERVIEW MIT CARMEN PIETSCH , EHEMALIGELEITER IN DER APCM-FREIWILLIGENDIENSTE

In den letzten 14 Jahren hast du die APCM-Freiwilligendienste geleitet. Ihr entsendet vor allem junge Menschen u.a. im Rahmen von zwei staatlich geförderten Programmen ins Ausland. Was hat dich an dieser Aufgabe begeistert?

Unsere Vision ist es, dass Menschen in ihrer Berufung wachsen – mit interkultureller Kompetenz und weltweitem Horizont. So war es immer wieder aufs Neue beeindruckend zu erleben, wie die Freiwilligen in ihrem Auslandsjahr über sich selbst hinausgewachsen sind, wie sie ihre Berufungen entdeckten bzw. bestätigt sahen. Den größten Anteil daran hatten unsere Partnerorganisationen vor Ort.
Für die meisten jungen Menschen ist es die erste längere Zeit außerhalb ihrer Familie und Gemeinde. Sie sind herausgefordert, ihren zunächst fremden Alltag ohne das gewohnte Umfeld zu meistern, ihre Beziehung zu Jesus zu leben und in vielen Fällen neu festzumachen. Ihre Zeugnisse, wie sie Gott in einer intensiveren Weise kennengelernt und erfahren haben, feierten wir auf den Rückkehrseminaren. Wer hat schon eine Arbeit, bei der die Frucht so unmittelbar zu sehen ist?!

Wie kamst du dazu, dich in Freiwilligendiensten zu engagieren?

Da durfte ich Gottes perfektes Timing erfahren. Als sich der APCM-Vorstand entschied, in die staatlichen Freiwilligenprogramme einzusteigen, führte Gott mehrere Stränge meines Lebens zusammen. Über viele Jahre arbeitete ich im Jugendamt Stuttgart im Projektmanagement, der Fördermittelvergabe und Konzeptionierung von Projekten gegen Jugendarbeitslosigkeit.
2005 rief mich Gott nach insgesamt elf Jahren aus der Sicherheit des Öffentlichen Dienstes heraus. Anschließend engagierte ich mich zunächst ehrenamtlich, dann geringfügig entlohnt in einer Kirchengemeinde im Bereich Freiwilligendienste und baute diesen aus. Vor diesem Erfahrungshorizont hat mich ein Vorstandsmitglied der APCM-Leitung für die Aufgabe vorgeschlagen. Von selbst wäre ich nie auf diese Idee gekommen. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Wege Gott vorbereitet und wie er Menschen zusammenführt.

Es gab sicher auch schwierige Momente. Was war für dich eine wesentliche Herausforderung und wie hast du diese gemeistert?

Eine der größten Herausforderungen war sicherlich die abrupte, staatlich angeordnete Rückholungsaktion der Freiwilligen nach dem Ausbruch der Covid 19-Pandemie. Fast 50 junge Menschen mussten aus unterschiedlichen Ländern innerhalb kurzer Zeit sicher nach Deutschland gebracht werden. Es gab unzählige Flugumbuchungen und -ausfälle, Zwischenlandungen, Visakomplikationen etc. Den Höhepunkt der Dramatik erlebten wir mit den Freiwilligen in Peru. Peru schloss die Grenzen und ließ keine ausländischen Flugzeuge landen. Die Ausreise lief schlussendlich gemeinsam mit Freiwilligen anderer Trägerorganisationen nach Eingreifen des deutschen und peruanischen Außenministeriums und mit Polizeieskorte über Chile – begleitet mit intensiven Gebeten unsererseits. Nach anstrengenden zweieinhalb Wochen waren alle Freiwilligen wohlbehalten in Deutschland – und wir zutiefst erleichtert und dankbar! Zusammen durften wir Gottes Bewahrung und seine übernatürliche Führung bei den unzähligen Entscheidungen erleben.

Worüber staunst du heute noch?

Da gibt es vieles … Sehr außergewöhnlich finde ich die Gunst, die Gott mir im Laufe der Zeit bei den Ministerien, Behörden und anderen zentralen Organisationen geschenkt hat. Er hat mir Türen geöffnet, in einflussreichen übergeordneten Gremien maßgeblich mitzuarbeiten und so aktiv an der Gestaltung der Freiwilligenprogramme und ihrer Qualitätsstandards mitzuwirken.


Was gibst du den jungen Menschen mit auf den Weg in ihr Abenteuer in einer für sie noch unbekannten Umgebung?

Da lasse ich am besten die zurückgekehrten Freiwilligen selbst sprechen. Auf die Frage, was sie den nachfolgenden Freiwilligen mitgeben möchten, haben zwei Rückkehrerinnen wie folgt geantwortet:
„Dieses Jahr ist es wert, alles, was einem bisher vertraut war, für eine gewisse Zeit zurückzulassen. Man kann so viel über sich selbst und Gott lernen, wenn man dazu bereit ist. Sei bereit, dich auf Neues einzulassen. Schreibe dir deine Erlebnisse (mit Gott) auf, damit du in Momenten, in denen es dir nicht so gut geht, nachlesen kannst, was du (mit Gott) erlebt hast. Versuche jeden Moment, soweit es geht, zu genießen. Die Zeit geht schneller um, als einem lieb ist.“ Xenia
„Der Herr möchte Großes mit dir in diesem Jahr tun und er freut sich unglaublich doll darüber, wenn wir uns ihm mit allem, was wir sind, zur Verfügung stellen. Ich habe in den letzten Monaten stark gemerkt, wie Gott mich geführt und geleitet hat und dass er vor allem in herausfordernden Situationen mir unglaublich viel Kraft gegeben hat. Er wird dich leiten, wenn du ihm vertraust.“ Caroline
Besser könnte ich es nicht ausdrücken.

Was hat dich dazu bewogen, diese erfüllende Aufgabe loszulassen und erneut in eine nächste Phase aufzubrechen?

Wie schon beim ersten Mal haben Gespräche mit Freunden den letztendlichen Impuls gegeben. Ihre provozierenden Fragen zu meiner beruflichen Situation gaben den Anstoß, den Gedanken zuzulassen, dass Jesus mit mir neue Wege gehen möchte. Im Grunde hat es meinem Mann und mir bestätigt, was wir bereits im Herzen hatten. Nach dem Aufbau der staatlich geförderten Freiwilligendienste, deren Konsolidierung und kontinuierlichen Weiterentwicklung ist es nun Zeit für Neues. In der Zuversicht auf Gottes Führung, wie ich sie bereits vor 19 Jahren erlebt hatte, habe ich letztes Jahr bekanntgegeben, dass ich die APCM-Freiwilligendienste verlassen werde – ohne zu wissen, was kommt. Ich habe den Eindruck, zuerst loslassen zu müssen, damit Neues entstehen kann.

Ich spüre bei dir ein großes Gottvertrauen. Was möchtest du dem Leserkreis Ermutigendes mitgeben?

Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam immer mehr erkennen, was es bedeutet, dass unser Leben auf unseren liebevollen und fürsorgenden Gott gegründet ist. Wir können deshalb mutig sein, wenn nötig auch Vertrautes loszulassen und neue Schritte zu wagen. Er verheißt in Jeremia 29,11: „Denn ich weiß, was ich mit euch vorhabe [Ausspruch des Herrn(!)]: Ich habe Pläne des Friedens und nicht des Unheils. Ich werde euch Zukunft und Hoffnung schenken“ (Basisbibel).

Die APCM-Freiwilligendienste als Arbeitszweig des Missionsdachverbands Arbeitsgemeinschaft Pfingstlich-Charismatischer Missionen e.V. (APCM) möchte besonders junge Menschen für internationale Arbeit sensibilisieren und begeistern. Gemeinsam mit den Mitgliedsorganisationen verfügen sie weltweit über ein großes Netzwerk und vielfältige Kontakte zu Projekten auf christlicher Basis. Sie entsenden im Rahmen des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes weltwärts und des Internationalen Jugendfreiwilligendienstes mit staatlicher Förderung und im Rahmen von Anderer Dienst im Ausland (ADIA) mit staatlicher Anerkennung. Darüber hinaus vermitteln sie ohne staatliche Vorgaben engagierte Christen aller Altersgruppen, mit und ohne berufliche Expertise, in einen Freiwilligendienst im Rahmen des „FlexiService“.
Kontakte: www.apcm-freiwilligendienste.de freiwilligendienste@apcm.de

Interviewpartnerin
Carmen Pietsch war bis Ende Juni 2024 bei der APCM angestellt. In ihrer Tätigkeit beantragte sie die staatliche Anerkennung dreier Freiwilligenprogramme, professionalisierte diesen Arbeitsbereich und arbeitete in bundesweiten Steuerungsgremien und Vorständen mit. Sie ist mit Norbert verheiratet.

Autor

  • Ehemann von Uta und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Mit einem Team gründete er eine Gemeinde, die er 25 Jahre als Pastor leitete. Seit 2022 ist er Redaktionsleiter von Charisma sowie Missionspartner bei Globe Mission.

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