Setzt die Gefangenen frei!

APCM Tagung: Kampf um Gerechtigkeit im Hier & Jetzt


Vom 4. bis 5. November 2025 fand die jährliche APCM-Tagung im Flensunger Hof in Mücke statt. Eingeladen waren die Vertreter der Missionswerke des Dachverbandes.
Gastsprecher waren Dietmar Roller, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von International Justice Mission IJM-Deutschland und Marie Mir, die als Managerin für Speaking und Gemeindebereich bei IJM arbeitet (Stopp Sklaverei | International Justice Mission).


In den sechs Vorträgen wurden uns die Augen für die Schrecken moderner Sklaverei in den verschiedenen Ausprägungen geöffnet , ob durch erschütternde Statistik oder zu Herzen gehenden Fallbeispiele. Um so ermutigender war es dann vom erfolgreichen Kampf gegen diese Formen der Ungerechtigkeit zu hören. Dazwischen gab es immer wieder Gebetszeiten, starke Einheiten des Lobpreises und viele Möglichkeiten der Begegnung und des Gesprächs.

Quelle: ijm

Hoffnung in der Dunkelheit / Dancing in the Darkness:

Gleich am Anfang machte Dietmar Roller klar, dass der Ausgangspunkt für die Arbeit von IJM unser Auftrag ist, das Evangelium den Armen zu verkündigen, den Gefangenen zu predigen, dass sie frei sein sollen, den Blinden zu verkünden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen in die Freiheit zu entlassen (Lukas 4,18). Oder, um es mit Bonhoeffer zu sagen: „Euer Ja zu Gott verlangt euer Nein zu allem Unrecht.“

Danach berichtete Marie Mir von der bewegenden Entstehung von IJM durch Gary Haugen. Kurz nach dem Völkermord in Ruanda war er vor Ort und angesichts der Schrecken bewegte ihn die Frage: „Wer hält die Machete zurück?“ Daraus entwickelte sich eines der Ziele von IJM, dass der Zugang zu Rechtssystemen für alle möglich sein muss – auch für die Ärmsten dieser Welt. Aktuell befinden sich 50 Millionen Menschen in modernen Formen der Sklaverei[i]. Das Hauptziel lautet daher: Menschen befreien, Täterinnen und Täter verurteilen und Rechtssysteme stärken.

Erschreckend

Nachdem Roller uns einen historischen Rückblick auf die Sklaverei im AT gegeben hat, die sich gravierend von der europäisch- amerikanischen Sklaverei unterscheidet, schlug er den Bogen zur Moderne und den modernen Formen der Sklaverei und ihrer Wandlungsfähigkeit, wodurch sie oft schwer zu erkennen ist.  Und das sind:

1.  „Online Scamming“ – Zwangsbetrug über das Internet – als eine der am schnellsten wachsenden Formen von Arbeitssklaverei.

2. OSEC – (Online-sexuelle Ausbeutung von Kindern) Allein 500.000 Kinder werden auf den Philippinen ausgebeutet, indem sie per Live Stream für zahlende Kunden vor der Kamera sex. Handlungen vollziehen und erleiden müssen. Durchschnittlich sind die Kinder 11 Jahre alt, wobei die Jüngsten, Babys von drei Monaten sind.

3. Menschenhandel bedeutet, dass Personen angeworben, transportiert oder festgehalten werden, wobei Zwang, Täuschung oder Machtmissbrauch eingesetzt wird, um sie auszubeuten.
Die Ausbeutung umfasst u. a. sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit, Sklaverei, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen.

Bei Kindern gilt: Schon die Handlung mit Ausbeutungszweck reicht aus – Zwang oder Täuschung müssen nicht nachgewiesen werden.

Menschenhandel geschieht auch in Europa – in unseren Städten und wir tragen eine Verantwortung!

Ermutigend

Absolut ermutigend für mich ist die Existenz von IJM und anderen Werken, die mutig den Kampf gegen jede Form der o.g. Ausdrucksformen moderner Sklaverei aufnehmen und darin erfolgreich sind. Es gibt messbare Früchte:

Für mich besonders zu Herzen gehend, die Geschichte von Ruby. Sie war zur Prostitution im Internet gezwungen worden. Durch IJM & lokalen Behörden/Partnern wurde sie befreit und die Täter und Täterinnen verurteilt. Ruby konnte durch Nachsorge und Empowerment einen Neuanfang machen und setzt sich heute für andere Opfer ein. (Geschichte von Ruby)

Auch die Geschichte von Mara zeigt, dass Befreiung möglich ist. Sie stammt aus Rumänien und wurde durch die Loverboy-Methode[ii] nach Großbritannien gelockt. Dort zeigte sich der vermeintliche Freund als Menschenhändler: Statt Liebe erlebte Mara Gewalt, Einschüchterung und sexuelle Ausbeutung. Fast ein Jahr lang wurde sie nachts durch verschiedene Städte gefahren und verkauft, während die Täter das Geld für Luxus ausgaben. Schließlich gelang ihr die Flucht zur Polizei; die Täter wurden festgenommen.

Mit Unterstützung von IJM sagte Mara vor Gericht aus und erreichte 2023 deren Verurteilung. Für ein Wiederaufnahmeverfahren kehrte sie erneut nach Großbritannien zurück und sagte ein zweites Mal aus – diesmal noch entschlossener. 2024 erhielt einer der Täter eine zusätzliche lange Haftstrafe.

Heute lebt Mara wieder in Rumänien, hat ein gesundes Kind und sucht Arbeit. Sie hat keine Albträume mehr und richtet einen Appell an Betroffene: „Habt keine Angst, zur Polizei zu gehen. Gebt nicht auf. Eure Würde gehört euch.“

„Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind.“ Ps 34,19

Am Schluss der Tagung eröffnete uns Dietmar einen interessanten Blick auf Hagar in 1.Mos 16, was uns das Herz Gottes zeigt:

  • Als Sklavin bekam sie als erste eine Namensoffenbarung Gottes: „Du bist ein Gott, der mich sieht“/“der meinen Schmerz versteht“.
  • Sie war die erste Person in der Bibel, die einem Boten Gottes begegnet.
  • Ihre Flucht war die erste in der Bibel.
  • Sie war die erste Frau, Ausländerin und Sklavin, die eine große Verheißung empfing.

Gott sieht die Unsichtbaren und kommt denen nahe, die zerbrochenen Herzens sind.

Das spornt dazu an, das Trachten nach Gottes Gerechtigkeit als gemeinsamen Auftrag im Hier und Jetzt auf eine neue Weise zu betrachten. Ganz im Sinne Gottes, wie es in Psalm 82,1-5 geschrieben steht:

Gott steht in der Gottesgemeinde und ist Richter unter den Göttern.»Wie lange wollt ihr unrecht richten und die Frevler vorziehen? Schaffet Recht dem Armen und der Waise und helft dem Elenden und Bedürftigen zum Recht. Errettet den Geringen und Armen und erlöst ihn aus der Gewalt der Frevler.« Sie lassen sich nichts sagen und sehen nichts ein, / sie tappen dahin im Finstern. Es wanken alle Grundfesten der Erde.

Vier praktische Möglichkeiten mitzuhelfen Menschen aus Sklaverei zu befreien

1. Sonntag für Freiheit

Sklaverei zu stoppen, fängt mit deiner Gemeinde an. Der Sonntag für Freiheit ist die Gelegenheit, gemeinsam mit IJM und 15.000 anderen Kirchen und Gemeinden weltweit gegen Ungerechtigkeit aktiv zu werden. Widmet einen Sonntag im Jahr dem Einsatz für Freiheit und Gerechtigkeit. Werdet damit Teil der Hoffnung für alle Menschen, die heute noch in moderner Sklaverei gefangen sind – bis alle frei sind!

2. IJM-Botschafter und Botschafterin werden

Wir nutzen unsere Talente, Netzwerke und unseren Einfluss, um eine Bewegung zu bauen. Bis alle frei sind.

3. Im Gebet unterstützen

Gebet gegen moderne Sklaverei. In unserer Arbeit erleben wir täglich kleine und große Wunder. Wir sind überzeugt davon, dass es neben der finanziellen Unterstützung unserer Arbeit auch das Gebet für die Ermittlung, Befreiungen und Fallarbeit braucht.

4. Durch Spenden unterstützen


[i] Sklaverei: „Eine Person wird gegen ihren Willen als Ware gehandelt und / oder ausgebeutet − durch Anwendung und Androhung von Gewalt, Strafe und anderen Formen der Nötigung. Die meisten Betroffenen werden in Arbeitssklaverei, Zwangsprostitution und anderen Formen sexueller Ausbeutung gefangen gehalten.“ Quelle: Artikel 3 des Palermo-Protokolls

[ii] Loverboy-Methode: Menschenhändler manipulieren Frauen über einen längeren Zeitraum hinweg emotional, bis sie glauben, in einer liebevollen, verbindlichen Beziehung zu sein. Stattdessen werden sie in die sexuelle Ausbeutung gezwungen und mit psychischem Druck und körperlicher Gewalt kontrolliert.

Dietmar Roller wurde 1956 in Balingen geboren, studierte in der Schweiz Theologie und in den USA interkulturelle Studien mit dem Schwerpunkt Sozialanthropologie. Seit über 30 Jahren arbeitet er als Experte für Menschenrecht. Er war langjähriger Vorstandsvorsitzender des deutschen Büros der „International Justice Mission e.V. (IJM)“, die als Organisation weltweit gegen Sklaverei, Ausbeutung und Gewalt kämpft. Roller hat seit der Gründung der deutschen Sektion die Organisation maßgeblich geprägt. 2022 hat er gemeinsam mit Judith Stein das Buch „Ware Mensch. Die vielen Gesichter moderner Sklaverei“ veröffentlicht.

Marie Mir hat schon seit ihrer Kindheit das große Herzensanliegen Menschen in der Gesellschaft, die nicht gehört werden, ihre Stimme zu leihen. Ihr Wunsch nach Gerechtigkeit wurde besonders aufgrund ihrer libanesischen Herkunft und durch viele Besuche im Land

Autor

  • Ehemann von Uta und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Mit einem Team gründete er eine Gemeinde, die er 25 Jahre als Pastor leitete. Seit 2022 ist er Redaktionsleiter von Charisma sowie Missionspartner bei Globe Mission.

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