Kunst kommt von Können. Käme sie von Wollen, wäre sie Wulst, käme sie von Möchten, wäre sie Murks.“ So witzig dieses Bonmot von Bernt Engelmann ist, so sachlich falsch ist es. Leider hat es sich in den Köpfen der meisten Leute festgesetzt. Für meine eigene Einschätzung helfen mir drei Kriterien, von denen hier kurz die Rede sein soll.
Kunde
Kunst kommt sprachlich von „Kunde“ und „künden“. Das gestalterische Können tritt nur hinzu, denn der Kündende sollte seine Kunde gekonnt vortragen können. Wenn jemand aber sagt, seine Kunst hätte keinerlei Kunde, dann sollte er es der Genauigkeit halber nicht „Kunst“ nennen. Es ist dann etwas anderes, aber eben genau genommen keine Kunst, weil diese auf dem Gedanken der „Kunde“ gegründet ist. Welcher Art ist nun die Kunde, die in einem Werk der Kunst verkündet wird?
Brot
Dabei hilft uns die Betrachtung des englischen und französischen Wortes Art für Kunst. Art entstammt dem Griechischen und bedeutet Brot. Nicht aber das Brot für den Alltagsgebrauch, sondern rituelles Brot für religiöse Zeremonien. Es ist Himmelsbrot und göttliche Seelennahrung für den, der es isst. Das bringt uns auf den Gedanken des Nährenden und die Seele Stärkenden. Bei der leiblichen Nahrung achten wir auf Bekömmlichkeit und darauf, dass sie uns stärkt und belebt. In ähnlicher Weise schätze ich auch die Wirkung eines Bildes, eines Musikstücks oder eines Films auf mich ein: Was löst die Betrachtung in mir aus? Und: War das, was es auslöst, von seinem Schöpfer so beabsichtigt? Was nährt es in mir und wozu bewegt es mich?
Es gibt Bilder, die verstören können. Die Frage ist deshalb: Wenn dieses Verstörende beabsichtigt war, wozu dient es? Bewegt es mich in eine positive Richtung? Wird meine bisherige Sicht erweitert oder korrigiert und ich somit genährt? Man denke an Bilder, die den Krieg verurteilen, wie Picassos „Guernica“, oder Luise Kaschnitz‘ aufrüttelnde Portraits von Menschen in Armut.
Große Maler wie Monet, Turner und Rembrandt haben in ihrer Malerei das immaterielle Licht selbst zum Thema ihrer Malerei gemacht und waren sich dabei der Symbolik bewusst. Ihre Bilder sind Oden an das Licht, das allem Farbe und Leben gibt. Jedem Betrachter teilt sich das sofort und eindrucksvoll mit. Ihre Kunde kündet vom eigentlich Unfassbaren und Immateriellen, ihre Bilder werden selbst zu Portionen von Licht, die der Maler dem Betrachter darreicht.
Schönheit
Einen dritten Begriff möchte ich heranziehen, den des Kosmos, im Griechischen das Wort für Welt, Universum, aber gleichzeitig auch das Wort für Schönheit, Ordnung. Wir alle kennen die Kosmetik, wo mit Hilfsmitteln etwas verschönert und maskiert werden soll.
Nach Meinung der Griechen liegen der Welt göttliche Schönheit und Ordnung zugrunde, deshalb hatten sie ein und dasselbe Wort für beides: kosmos.
In der Tat lässt die Natur in ihrer erhabenen Vielfalt und ganzen Großartigkeit bei jedem Betrachter eine Ahnung eben davon aufsteigen. Aufgabe von Kunst wird damit, hinter der sichtbaren Welt der Erscheinungen diese verborgene göttliche Ordnung und Schönheit sichtbar und hörbar zu machen und eine Ahnung für das Unsichtbare zu wecken. Der Maler Paul Klee sprach von der göttlichen „Ordnung der Dinge“ und davon, dass die Kunst nicht das Sichtbare abbildet, sondern das Unsichtbare.
Demgegenüber gibt es aber natürlich auch Kosmetik-Kunst, da soll irgendetwas nur hübsch aussehen und Dekoration fürs Sofa sein. Gute Dekoration hat ihren Platz. Der Nährwert solcher Kunde ist aber so gesehen vielleicht eher mit einem Snackriegel zu vergleichen. Der Snackriegel ist gut, er ist aber eben nicht mehr als ein Snack und nährt nicht nachhaltig.
Persönliches Gefallen und individueller Geschmack sind andere Kategorien eigener Einschätzung von Bildern, Musik oder Filmen. Diese berühren meines Erachtens nicht die Frage der Einordnung von etwas als „Kunst“. Dazu sagte Max Ernst einmal: „Die Kunst ist nicht zum Schmecken da.“ Unterhaltung ist Unterhaltung, Deko ist Deko, sie mag gut oder schlecht gemacht sein. Kunst geht darüber hinaus und will das nur Sichtbare und Hörbare übersteigen. Sie weist damit auf das Schöpferische hin, auf den Ursprung der Welt und auf das Geheimnis unseres Lebens. Darin sehe ich selbst ihren größten und wichtigsten Nährwert.
Vom Meisterschüler zum Schüler des Meisters
Es stand für mich schon in frühen Jahren fest: Ich wollte Maler und Zeichner werden.
Ich war nicht unbegabt und es machte mir immer große Freude. Vor allem Tiere und Pflanzen haben mich dabei besonders inspiriert und fasziniert. Als junger Mann begann ich in Bonn erstmalig künstlerische Arbeiten öffentlich zu zeigen und bekam regen Zuspruch. Daraufhin begann ich Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf zu studieren und schloss als Meisterschüler ab.
Während meiner Studienzeit war ich durch Asylanten aus Afrika und Tobago mit dem Evangelium Jesu und kraftvollem persönlichen Glauben in Berührung gekommen. In einem katholischen Elternhaus aufgewachsen, hatte ich einen Bezug zum christlichen Glauben, den Raum der Kirche aber als Jugendlicher aus Protest gegen Institution und Lehre verlassen. Nun hatte mich das persönliche Zeugnis der afrikanischen Gläubigen überzeugt, mich auf den Glauben der Bibel einzulassen und ein Nachfolger Jesu zu werden – ein Schüler des Meisters!
Wir machten damals im Raum der eher antichristlich dominierten Umgebung der Kunstakademie überwältigende Erlebnisse mit Gottes Gegenwart. Zwei meiner Mitstudenten kamen sehr bald zum Glauben. Wir haben dann in der Folge noch ein paar Jahre gemeinsame künstlerische Projekte realisiert, z.B. Symposien und Ausstellungen, Skulpturen und Installationen im öffentlichen Raum. Dabei haben wir immer wieder Gottes Rückenwind erlebt: Versorgung mit Materialien, Stipendien, Kontakte und Gelegenheiten. Der Einfluss alter Kulturen, die ich auf humanitären Einsätzen und Missionsreisen in Indien, Westafrika und Neu-Mexiko kennenlernte, hat einige meiner späteren Arbeiten mitgeprägt – wie die Druckgrafiken zum Schöpfungszyklus aus Genesis 1